Jeanne: Was hast du während des Films erlebt? B: Ich bin durch verschiedene Phasen gegangen. Es wurde sehr viel gesprochen und ich habe immer wieder versucht, an dem Gesprochenen anzuschließen. Ich fand es ein bisschen verwirrend, dass es einfach so viel Text war. Die Eindrücke waren von den Farben und Kostümen her sehr schön. Da konnte ich mich so ein bisschen entlang hangeln. Ich mochte sehr diese Pferdeschuhe. J: Welche Reaktionen hattest du während des Films? B: Ich war am Anfang der Figur gegenüber misstrauisch. Andererseits fand ich es auch witzig, wie die Schauspielerin sich in andere Figuren hineinversetzt hat. Sie hat am Anfang verschiedene Personen begrüßt. Und irgendwie dachte ich über die Figur: "Was für ein Arsch". Und mit der Zeit wurde die Figur immer menschlicher. Sie hat genau dieselben Ängste oder ähnlichen Gedanken, egal in welcher Lebenssituation sie war. Trotzdem war ich insgesamt sehr distanziert, weil ich mich immer wieder fragte, wie man sowas sagen oder denken kann, was die Figur gesagt hat. J: Welche deiner Reaktionen würdest du hervorheben? B: Ich glaube an zwei Stellen hat die Figur sehr unmenschliche, überhebliche und erniedrigende Dinge gesagt. Und da war ich sehr angeekelt. J: Was hat der Ekel bei dir ausgelöst? B: Ich habe mich gefragt: „Wieso denkt das eine Person? Wieso hat sie so ein Bild von Menschen und stellt sich über andere?“ J: Also hast du dich beim Einfühlen in die Figur im Film geekelt? B: Ja. Also weil ich nur eine Person und dieses eine Gesicht auf der Bühne gesehen habe. Und ich versuche häufig glaube ich direkt Gemeinsamkeiten zu finden, um mich einfühlen zu können. Das wurde dann aber schwieriger in diesen unsympathischen Momenten. Ich möchte eben verstehen, was die Person sagt. Aber weil ich diese Perspektiven der Figur nicht nachvollziehen konnte und nicht einverstanden mit dem Gesagten war, wurde eine Einfühlung umso schwieriger. Die Empathie war dann nicht immer so leicht. J: Konnte der Film es dir ermöglichen nach Empathie zu suchen? B: Ich glaube besonders in der Anfangsszene ist das gelungen. Dort hat die Figur versucht, voraus zu denken, wie sie die ganzen Leute begrüßen wird. Da habe ich mich mit der Figur verbunden gefühlt, weil da dann wer gewesen ist, der oder die sich wirklich Gedanken macht. J: Was war für dich besonders zentral, bei dem Gefühl des Ekels? B: Ich glaube ich kann gar nicht so genau eine Sache sagen, weil dieses Gefühl sehr durchgehend da war. Aber es wird mir sehr im Kopf bleiben, dass dort einfach erzählt wurde. Sehr einfach, aber unterschiedlich. J: Und trotz der Unterschiedlichkeit ist dir der Ekel am stärksten geblieben. B: Und trotzdem habe ich zwischendurch auch sympathisiert mit der Figur. Weil zwischen den Sätzen, die mir nicht so gut gefallen haben, fielen auch Sätze die ich verstehen konnte. Aber nicht im ganzen Zusammenhang. J: Für dich war also auch ein Zusammenhang da? Es waren keine losen, einzelnen sympathischen oder ekelerregenden Momente? B: Ja. J: Hattest du das erwartet, was du dann erlebt hast? B: Ich hatte eigentlich gar nicht so viele Vorstellungen im Vorhinein. Ich dachte dass ich ein Theaterstück sehe, aber da hatte ich mich verlesen und ich dachte dass es eine mehr historische Arbeit wäre. Aber es hieß auch, dass Parallelen zur Gegenwart gesucht oder gezeigt werden. Und das konnte ich gut mit dem Kostümbild verbinden. Ich habe vieles wiederentdeckt aus den Stilen der Vergangenheit und der Gegenwart. Wie zum Beispiel der Hosenanzug. Ich glaube das wird für mich am einprägsamsten sein. Das Kostüm. Die Farben und die Stoffe und das ein bisschen überspitzte. Der Vorhang war auch sehr einprägsam. Und irgendwie das konzentrierte. Man hatte nicht viel Ablenkung. Die Atmosphäre war sehr konzentriert und es entstand ein Gefühl einer komplexen Einfachheit. J: Hat dieses Gefühl etwas mit dem Ekel zu tun? B: Ich glaube wenn das Kostüm- und Bühnenbild nicht da gewesen wären, hätte ich es vielleicht nur ekelhaft gefunden. Vielleicht hätte ich dann auch keine Sympathie entwickeln können. Es hat mich irgendwie vom Ekel abgelenkt. Es war so eine Dualität zwischen Glamour und schlimmen Sachen, die vielleicht auch historisch und gegenwärtig eine Rolle spielen. Der Glamour ist nicht geschützt vor den schlimmen Sachen. J: Gab es Momente die sich komplett von dem unterschieden haben, von dem was du bisher beschrieben hast? B: Ich glaube diese Schrei-Szene war sehr überraschend. Und ich dachte: "Endlich passiert mal was", weil ein bisschen Action da war. Also ich meine besonders die entstandenen Bilder. Es waren etwas schnellere Bewegungen und sie waren schon fast gewaltvoll. Und das war sehr viel intensiver, als die anderen Momente. Und auf den Ekel bezogen hat es das gleichzeitig bestärkt, weil klar wurde, dass die Figur die schlimmen Sachen, die sie gesagt hat, auch wirklich möchte. J: Würdest du sagen, dass der Ekel in dem Film entstehen sollte? B: Es wäre wahrscheinlich gut, wenn dies bei anderen entstehen würde, aber es gibt bestimmt auch Leute, die sich das anschauen und denken das es richtig ist, was die Figuren sagen. J: Also wäre es möglich, dass das Publikum dem Gesagten zustimmt, obwohl es in diesem künstlerischen Rahmen gesagt wird? B: Ja. Ich denke schon. Ich möchte das nicht ausschließen. J: Gab es Dinge die du vermisst hast? B: Ein paar Pausen von dem vielen Reden zwischendurch. Es wird kontinuierlich durchgezogen und vielleicht wäre mal nur Musik oder so gut gewesen. Dann könnte sich das Gesagte besser setzen und ich hätte alles nochmal besser einordnen können. Und ohne diese Pausen hat es alles auch ein bisschen anstrengender gemacht. Aber vielleicht war es auch ein Stilmittel, den Leuten keine Ruhe zu lassen. J: Hatte das Folgen für den Ekel? B: Ja, der ist ein bisschen in den Hintergrund geraten, weil alles weniger auf mich wirken konnte. J: Wofür würdest du im Rückblick sagen hast du den Film geschaut? B: Ich habe einen gute Verbindung gesehen mit meinen Beschäftigungen zum Nationalsozialismus oder eher meiner Auseinandersetzungen zum Alltagsrassismus. Aber es gibt jetzt nicht den einen Grund, warum ich das geschaut habe.